26.12.2014

Weihnachtsspaziergang

Auf meinem Spaziergang heute kam mir ein Mann entgegen – etwa mein Alter, äußerlich unauffällig –, und irgend etwas bewegte ihn, mich anzusprechen: „Ich würde ihnen ja gerne fröhliche Weihnacht wünschen; bei drei Millionen Hungertoten fällt mir das aber etwas schwer“.

Nun reden einen in Hamburg auf offener Straße öfters Leute an, in allen Graden von Verwirrtheit. Ich bin kommentarlos weitergegangen – wobei ich die Zahl (drei Millionen) nicht aus dem Kopf bekam.

Bei 805 Millionen chronisch Hungernden weltweit wäre es eher verwunderlich, wenn die Zahl der auf Hunger zurückzuführenden Todesfälle so gering wäre. Das wären, bezogen auf die Gesamtzahl, gerade mal knapp 4‰ Todesfälle pro Jahr.

Die Zahl von drei Millionen ist insofern richtig, als sie sich auf die Zahl der getöteten Kinder bezieht. Man kann sie in einen Bezug setzten: im 1.Weltkrieg starben, konservativ geschätzt, 10 Mio. Menschen kriegsbedingt (Soldaten wie Zivilbevölkerung zusammengezählt), also – pro Jahr – etwa so viele Menschen, wie Kinder pro Jahr weltweit heute.

Es ist schwierig, die Zahlen zu belegen, ohne sich durch hunderte Seiten Dokumentation zu wühlen (wie zB. dem Report der Food and Agriculture Organization of the United Nations; dort auf S. 15 findet sich die Zahl von 805 Mio. „chronically undernourished“). Beim World Food Programme finden sich zusammengefaßt einige Zahlen.

Wirklich unfaßbar ist, was mich momentan dazu bringt, zumindest grundlegende Informationen zu dem Thema zu sammeln: es braucht eines Einzelgängers im Hamburger Stadtpark – beredet aus welchen Gründen auch immer – , dessen Rede ich selbst nach einigem Nachforschen nicht als verwirrt abstempeln kann.

1.10.2014

Vor der Kulisse der untergehenden Sonne

Wenn der Mond hell wird vor der Kulisse der untergehenden Sonne;
vier schmale weiße Streifen von entfernten Fliegern waagerecht, weit über dem Horizont;

wenn der Mond hoch am Himmel steht, sein knappes Licht über das Meer verteilt, über Stunden niedersinkt – sein Licht von Weiß in schmutzig Gelb, dann tiefes Ocker geht;

ein Kreuzfahrtschiff über die Stadt herüber fährt, wie im Versuch der Nacht das Licht zu stehlen.

Wenn was war und was wird im Blick verschwindet.

22.9.2014

Männergesang zum Akkordeon

Küste, Adria, gut vierhundert Treppenstufen unter mir

Dreimal täglich naß geschwitzte Kleidung

Von Mücken zerstochene Beine

Ein ewig bellender Hund

Männergesang zum Akkordeon von irgendwo halbrechts weiter vorne

Der erste Fünfmaster den ich je sah vor Anker unten, zu meinen Füßen

Der Sound von Donner, der vom kompletten Horizont, vom Grund des Meeres bis zum Sternenhimmel kommt; wie von einer Lichtorgel Gottes im gesamten Blickfeld die Blitze

Was für ein Glück; was für eine Parodie davon

13.5.2014

Hamburg Blues

Mein rechter Fuß tut höllisch weh,
jeder fragt, warum ich so komisch geh'.
Stieg aus 'nem Flieger von New Orleans,
'ne Woche unter funky-grooved Aliens,
weiß jetzt was das ist: Heimweh.

My feet were good, now blown away,
my body followed them all night and day,
my heart clocked in and made my body shake,
thought: I'll never leave, whatever it might take.

4.3.2014

Dicht gedrängte Plätze

Dicht gedrängte Plätze
meiner immerhin nah zum Fenster
aus einem Guß gefertigtes MacBook vor mir
hochragende Sprache
Versammlungen wo ich besser schwiege
und ich rede, rede

20.2.2014

Expose: Computerspiel

Schwarz. Rot. Tiefste Dunkelheit. Wieder Rot. Da ist ein Takt dahinter, ein Rhythmus, in dem die Farben wechseln. Das Dunkel des Weltenraums, dann ein Rot – welches? das Licht einer Alarmanlage, die weiße Wände rot bestreicht. Da ist Schwere, Schwerkraft, die seinen Körper nach unten drückt – er ahnt jetzt, daß er liegt und nach oben blickt.

PK schafft es nicht, seine Augen scharf zu bekommen. Das Chaos an Lichtern und blinkenden Farben macht es schwer, sich auf etwas einzulassen, was er seit Jahren nicht mehr getan hat: zu sehen.

Er liegt: das zumindest wird langsam klar. Er blickt nicht auf eine Wand, sondern auf die Decke von irgendwas. Es gibt einen Rhythmus an Licht – dunkel, hell, dunkel, – sehr hell, äußerst hell, Sinne betäubend hell, rot. Er weiß – sein Magen revoltiert, sein Körper will nur zurück, schlafen – , daß er hoch muß, aufstehen, um diesen bösen Traum zu beenden.

PK will nicht, weigert sich, schließt die Augen. Aber auch dann geht das so weiter: dunkel (so sollte es sein), gefolgt von einem wahnsinnigen, betäubenden ROT, das die geschlossen Lider seiner Augen durchbricht, in einem Rhythmus, dem sein Herzschlag zu folgen versucht. Mit immer noch geschlossenen Augen versucht er, sich aus dem Bett zu rollen – allein: das ist kein Bett. Im Rollen nach rechts stößt er an eine Wand (das ist mein Sarg, durchschießt es ihn), rollt nach links, mit dem Widerstand einer Wand auch dort.

PK blickt durch zugekniffene Augen. Etwas blinkt, rechts, auf der Höhe seiner Hand, kaum sichtbar im Farbenspiel. Er hebt die Hand, sucht den Kontakt seiner Finger mit dem Geblinke. Das sind keine Tasten, eine glatte Fläche; er wischt mit den Fingern über sie, mit zugepreßten Lidern, zweimal, dann noch einmal. Ein Licht geht an; immer noch das Wechselspiel aus Rot und Schwarz wie zuvor, gemildert jetzt wie von einen Vorhang, von einer Beleuchtung von der Decke. Das ist erträglicher, etwas leichter jetzt. Er öffnet die Augen, kneift sie zusammen, immer noch gegen das Licht.

Ja. Ach so.
Ich bin am Ziel.
Die Maschine hat mich wacht.
Wieviel Jahre ist es her, seit ich...

Aber etwas ist nicht richtig – woher das ROT, der Lärm? PK versucht, sich auf seiner Liege zu rollen, erinnert sich:

Das ist kein Bett.
Ich habe nicht geschlafen.
Ich bin auf meiner Reise.
Wieso bin ich weckt?
Etwas ist daneben; das ROT...

PK schiebt seine Arme, die Ellbogen hinter seinen Rücken, stemmt sich aus seiner Liege hervor; macht seinen Rücken gerade; langsam, sehr langsam.

Ich muß den Commander finden.

14.9.2013

Varna, Schwarzmeerküste: Friedhof der Schiffe

(Варна)

Die Schiffe im Hintergrund liegen dort – unbeweglich – vor Anker.


Schiffe, vor Anker:
dem Salzmeer preisgegeben
vor den Augen der
Badenden am Strand
die nicht sehen:
nicht verwundert sind
was knapp vor dem Horizont geschieht.

Schiffe, die sich nicht bewegen:
die manchmal dann, wenn der Wind wendet
um ihre Ketten drehen.


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