„Beyond: Two Souls” - Versuch einer Einordnung

Beyond: Two Souls

Zunächst: „Beyond“ ist (letztlich) kein Computerspiel. Man muß keine Rätsel lösen, keine größere Geschicklichkeit im Umgang mit dem Joystick lernen, und ist eher selten mit einer Situation konfrontiert, aus der es (spieltechnisch) keinen Ausweg gibt. Der Avatar, den der Spieler lenkt, kann zB. an keiner Stelle „sterben“.

Das ist eher ein Film - eine Erzählung, der viel daran liegt, daß man sie in einem gewissen Fluß, ununterbrochen, erlebt. Es ist dann aber doch kein Film – man ist nicht nur Betrachter eines vordefinierten Stroms an Ereignissen, sondern muß seinen Avatar so lenken, daß die Story nach und nach Sinn bekommt.

Dabei wird „Beyond“, ein wenig übereuphorisch, als komplett neue Form eines Computerspiels beworben: es gehe darum, Entscheidungen für seinen Avatar im Fluß der Ereignisse zu treffen, die den weiteren Verlauf des Spiels maßgeblich bestimmen.

Das ist – soweit ich das beim Spielen erlebt habe – eine grobe Übertreibung. Es gibt eine klassische Abfolge von „Levels“, die man nur so und nicht anders durchlaufen kann. Die Behauptung von David Cage (Showrunner, Director, und Autor), daß man es mit dreizehn unterschiedliche Versionen des Spiels zu tun habe, gilt wohl nur für die letzten Minuten im „Endgame“[1].

Die Versprechung eines wirklich interaktiven Spiels halten auch hier – einmal mehr – nicht; ansatzweise, wenn es hoch kommt.

Wirklich fasziniert jedoch hat mich die grafische Umsetzung der Figuren. Das ist hier kein Super-Mario (keine animierte Gestalt aus der Grabbelkiste eines Kindergartens), aber auch kein lebloser Verhau an Polygonen, die an menschliche Gestalten allenfalls erinnern. Seit Tomb Raider ist man ganz erheblich weiter.

Vor ein, zwei Dekaden hatte man noch vermutet, daß der Beruf des Schauspielers früher oder später obsolet wird, weil man dessen Gesten in naher Zukunft mit dem Computer simulieren kann. Man ist heute einen Schritt weiter: es braucht (gute) Schauspieler, auf deren Gesichter man Sensoren klebt, die man dann fotografiert und für die lebensechte Animation virtueller Avatare verwendet.

„Beyond“ geht genau diesen Schritt in die Zukunft – und das Ergebnis ist wirklich verblüffend. Es ist zwar schon im ersten Moment klar, daß man es nicht mit abgefilmten, sondern simulierten Gesichtern (Gestalten) zu tun hat. Trotzdem braucht es keinen Text mehr, um die Emotionen aus den Gesichtern der Simulation abzulesen[2].

Was aber wirklich hängen bleibt, ist die Erzählung, die Story. Ich möchte hier keinen Spoiler verbreiten – die Erzählung im Level „Homeless“ (und das ist nur ein Beispiel) ist mE. ein echter Meilenstein, wenn es um die Möglichkeiten geht, mit einem Computerspiel nicht nur Welten zu simulieren, sondern die reale Welt zu deuten.

  1. [1] Wenn man zB., als Spieler, die Entscheidung getroffen hat, daß der Avatar (Jodie) ihr „love interest“ eben nicht liebt, wird man im Endgame trotzdem mit der Frage konfrontiert, ob man lieber allein, oder doch mit dem schon früher zurückgewiesenen potentiellen Lover weitergehen will. - Das ist noch die gröbste Unstimmigkeit; andere Entscheidungen, die man für seinen Avatar trifft, haben überhaupt keine Auswirkungen.
  2. [2] Die PlayStation 4 – sofern das Demo unter den Extras auf dem „Beyond“-Medium kein Fake ist – dürfte hier einen weiteren, großen Schritt in diese Richtung ermöglichen.