20.8.2012

Photoshop-Welten – Studium der Architektur

(Themenzusammenhang)

Letzten Samstag kam die Nachbarschaft des Hauses, in dem ich lebe, zu einer – mittlerweile fast traditionellen – Grillparty im Hinterhof zusammen. Ein Nachbar hatte seine Töchter mitgebracht, und seine Älteste (sie studiert Architektur in Hannover) hat ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert, nachdem sie mitbekommen hatte, daß man sich für die Perspektive eines Twens durchaus interessiert (ich habe mit dieser Generation sonst – leider – sehr wenig zu tun, und fand es wirklich spannend, die Erfahrungen der heutigen Generation von Studenten mit meinen eigenen, Jahre zuvor, zu vergleichen).

In ihrer Erzählung gab es einen Aspekt aus dem Alltag im heutigen Architekturstudium, der mich umgehauen hat: offenbar muß man heutzutage richtig gut im Umgang mit Adobes Photoshop sein, um den Anforderungen der Professoren zu genügen. Es reicht längst nicht (mehr), gute Ideen für architektonische Entwürfe vorzutragen – man muß diese auch noch perfekt aufbereiten. Von Hand gemalte Entwürfe scheinen noch eine gewisse Wertschätzung zu genießen; normalerweise soll man aber wohl einen Entwurf auch technisch fehlerfrei (im Computer) umsetzen und einen makellosen Ausdruck vorlegen.

Zur Umsetzung von grafischen Ideen am Computer geht kein Weg an Adobes Photoshop vorbei. Ob das Fotos oder CAD-Zeichnungen in 3D sind: es erreichen nicht einmal die spezialisierten Software-Lösungen für 3D-Anwendungen (zB. AutoCAD) die Qualität für den Enddruck, den man heute in der Architektur als selbstverständlich voraussetzt. Ich kann ein Lied davon singen, wenn es darum geht, eine Alternative zu Photoshop in der Nachbearbeitung von Fotos zu finden: an die Qualität der Algorithmen kommt die Konkurrenz nicht heran. Man (ich) kommt um Photoshop nicht herum, selbst wenn andere Software kostenlos oder deutlich einfacher bedienbar ist.

Ein Architekturstudent heute muß also lernen, eine Software zu beherrschen, deren Userinterface einige – um es vorsichtig zu sagen – Ecken und Kanten hat, bevor er zu Ergebnissen kommt. Mehr noch: Photoshop ist eine proprietäre Software, die von einem gewinnorientierten Konzern entwickelt wird, dem es nicht die Bohne darum geht, „gute” (im Sinn der User) Lösungen anzubieten, sondern solche, die sich gut verkaufen lassen (Adobes Marketing bewirbt CS6 allen Ernstes mit dem Hinweis auf einen neuen Look der Bedienoberfläche – als ob das die User auf irgendeiner Ebene interessierte).

In die universitäre Ausbildung fließt hier der Einfluß einer Industrie ein, die nicht einmal als Sponsor am Campus auftreten muß. Adobe (und das ist nur die Spitze des Eisbergs) macht sich unentbehrlich, indem es Software anbietet, deren Gebrauch selbst in den Augen der Professoren „alternativlos“ erscheint. Ein börsennotiertes Unternehmen, das an den Umsätzen des letzten Quartals mehr interessiert ist als an allem Anderen (wobei sich auf dieser Ebene nicht einmal die Frage stellt, was diese „Andere“ sonst noch sein könnte), bestimmt entscheidend darüber, wie die Ausbildung jener auszusehen hat, die zukünftig das Design unserer Städte entwerfen, und über deren Design letztlich entscheiden.

Noch schlimmer als hier kann die Abhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen gar nicht sein.

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