1.4.2011

Die Welt spricht nicht. Das tun nur wir. (2)

(Themenzusammenhang)

Wir müssen zwischen der Behauptung, daß die Welt dort draußen ist, und der Behauptung, daß Wahrheit dort draußen ist, unterscheiden.[…] Die Welt ist dort draußen, nicht aber die Beschreibung der Welt. Nur Beschreibungen der Welt können wahr oder falsch sein. Die Welt für sich – ohne Unterstützung durch beschreibende Tätigkeit von Menschen – kann es nicht.

(Richard Rorty. Kontingenz, Ironie und Solidarität. Ff./M.1989. S.23f.)

Das ist eine auf den ersten Blick hergeholte Unterscheidung, die jedoch weitreichende Folgen hat. Auf der einen Seite ist das eine konstruktivistische Sicht der Dinge – die Menschen erzeugen Wahrheit; sie entdecken sie nicht in einer objektiv gegebenen Natur. Auf der anderen Seite gibt es aber Möglichkeiten, das Steuer in die eigenen Hände zu nehmen und die Realität zu verändern – und zwar, indem man spricht, durch Akte des Sprechens. Man ist nicht nur darauf verwiesen, all den fehlerhaften und eingeschränkten Informationen passiv hinterher zu horchen, die man von den Sinnen über den Zustand der Welt entgegen nimmt, sondern man kann aktiv auf sie Einfluß nehmen, indem man an ihrer Beschreibung teilhat.

Für Rorty sind es die Dichter, die über den Zustand der Welt bestimmen, indem sie die „Vokabulare“ im Lauf der Zeit verändern, in denen über Realität gesprochen wird:

Was politische Utopisten seit der Französischen Revolution fühlten, ist nicht, daß eine bleibende zugrundeliegende Natur durch „unnatürliche“ oder „irrationale“ soziale Institutionen unterdrückt oder zurückgedrängt wird, sondern daß sich wandelnde Sprachen und andere soziale Praktiken möglicherweise Menschen von einer anderen Art hervorbringen.

(AaO, S.28)

Das ist für Rorty die gemeinsame „Mission“ des deutschen Idealismus, der französischen Revolutionäre und romantischen Dichter: Menschen machen Wahrheiten, indem sie Sprachen machen, in denen Sätze gebildet werden.

(Ich fange mit meiner Rorty-Lektüre gerade erst an – und das bedeutet u.a., daß ich eine eigene Bewertung ganz nach hinten rücke.)

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