Cubase 6 - Note Expression (6)

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Zu diesen Problemen bietet „Note Expression” (NE) eine Lösung.

  • Neben MIDI unterstützt NE ein internes Datenprotokoll (VST3-Events), bei dem der Wertebereich durch einen 10 Byte (also 80 Bit) breiten Datentyp („C++ double“) definiert ist. Das sind normalisierte Werte zwischen 0 und 1 in Gleitkommazahlen – theoretisch ist der Wertebereich nahezu unbegrenzt, in der Praxis kommt es durch die Umrechnung in vernünftig editierbare Werte zu Rundungen (wer will schon mehrstellige Nachkommastellen editieren).

  • Alle NE-Events (sowohl MIDI-, wie auch VST3-Events) sind nicht länger Bestandteil der Parts, sondern direkt an die einzelnen Noten gekoppelt. Wenn man eine Note verschiebt, wandern diese Events mit – sie behalten stets die relative Position zum Start der Note. Darüber hinaus werden, wenn man eine Note kopiert, auch die Controller-Informationen mitkopiert.

  • NE funktioniert, zumindest im Rahmen von VST3, polyphon. Man kann z.B. in einem mehrstimmigen Streichersatz für jede Note unterschiedliche Verläufe von Tonhöhe, Lautstärke, Pan, Modulation etc.pp. (je nachdem, welche Parameter das angesteuerte Instrument zur Verfügung stellt) realisieren. Bislang mußte man jede Stimme in eine je eigene Spur verschieben, wenn man sie z.B. individuell im Stereobild anordnen und ihnen verschiedene Verläufe in Lautstärke oder Modulation zuordnen wollte. Dieser Schritt entfällt; man kann dies jetzt machen, ohne den Überblick über die harmonischen Verläufe aufzugeben.

Ein Wort zum Verhältnis zwischen MIDI und VST. Erst beim Einsatz von VST3-Events hat man es mit den vollen Möglichkeiten des Features zu tun – und das bedeutet, daß man dann nur VST-Instrumente benutzen kann, die die neueste Version (3.5) des Protokolls unterstützen. Das ist momentan beschränkt auf unseren eigenen Sampler, Halion. Zu Cubase 6 gehört eine abgespeckte Variante, Halion Sonic SE, die zwar VST 3.5 und NE unterstützt, mit der man aber nur Sounds verwenden kann, die in ihrer „Interpretation“ von NE festgelegt sind. Erst in der Vollversion von Halion Sonic kann auch der User (in der sog. Modulationsmatrix) entscheiden, welche Parameter über NE angesteuert werden. - Das Angebot an Sounds, die sich über NE ansteuern lassen, ist also momentan ausgesprochen mager.

Bleibt MIDI. NE funktioniert auch in dieser „Welt”, wenn auch mit einigen Einschränkungen. Zunächst ist man auf monophones Material beschränkt, wobei es gerade für Soloinstrumente eine große Anzahl von Use-Cases gibt. Wer z.B. je mit einer MIDI-Gitarre gearbeitet hat, weiß, wie schwierig es ist, die erzeugten Controller(Pitchbend!)-Daten zu verwalten – solche Recordings kann man nicht einmal sinnvoll quantisieren. Aber auch mit dem Keyboard eingespielte Saxophone oder Trompeten, die ja nur durch intensiven Gebrauch von Controllern „lebendig“ werden, lassen sich mit konventionellen Methoden kaum nachträglich editieren. Mit NE ergeben sich hier radikal neue Möglichkeiten. Trotzdem muß man auch hier, in der eingeschränkten Welt der Monophonie, aufpassen: sobald sich Noten nur zufällig ein wenig überlappen, kann es zu Chaos in der Wiedergabe kommen, wenn die Controller am Ende einer Note mit jenen am Anfang einer neuen Note kollidieren (in Cubase gibt es immerhin Funktionen, mit denen sich solche Konflikte nachträglich auflösen lassen).

Es gibt noch einen Trick, wie sich auch mit MIDI „Note Expression” komplett nutzen läßt: in der Verwendung von polyphonem Aftertouch. Die wenigsten Keyboards können diesen Datentyp noch erzeugen; es gibt aber eine ganze Reihe von VST-Instrumenten, die ihn noch entgegen nehmen. Durch ein entsprechendes Mapping bei der Aufnahme (oder durch das „Malen” der Kurven im Editor) lassen sich Noten-bezogene Controller auch mit MIDI realisieren – allerdings beschränkt auf genau einen Parameter.

[Wird fortgesetzt; dies war jetzt sozusagen der theoretische Teil.]