Musikinstrumente (2)

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Ein Musikinstrument ist ein Werkzeug, mit dem man musikalische Töne erzeugen kann.

Sofern man dieser sehr allgemein gefaßten Definition zustimmt, muß man - neben Geige, Klavier, Flöte etc. - zwei weitere Quellen von Tönen als Musikinstrumente ansehen, die hier dann die extremen Pole bilden: den Computer[1], und die menschliche Stimme.

Die Geige[2] und das Klavier unterscheiden sich durch den Grad der Mechanisierung, sowie das Maß, in dem der menschliche Körper in die Mechanik integriert wird. Während der Klavierspieler vor seinem Instrument sitzt und es - schon fast wie der Arbeiter an einer Maschine oder der Führer eines Fahrzeugs - bedient, verwebt der Geigenspieler mit seinem Instrument und verbaut seine Hände und Arme mit dem Griffbrett und dem Bogen.

Der Gegensatz zwischen Computer und menschlicher Stimme wiederholt jenen Unterschied in der Mechanisierung, und führt ihn auf die Spitze. Im einen Fall ist die Mechanik, welche Töne generiert, dem sie bedienenden Musiker völlig äußerlich, bis hin zu dem Umstand, daß Bedienung und Klangerzeugung gelegentlich sogar zeitlich voneinander getrennt sind. Im anderen Fall ist das Werkzeug der menschliche Körper - nicht etwa nur die Stimmbänder, sondern die komplette Resonanzfläche, die Brustkorb, Bauch, aber auch den Kopf und sogar einen imaginären Raum vor dem Körper - den „Sitz” der Stimme - umfaßt.

Der unterschiedliche Grad der Mechanisierung der Musikinstrumente spiegelt sich zunächst in der Objektivität, mit der sich Klänge darstellen - und zwar nicht bloß in der Art und Weise, in der sie produziert werden, sondern auch im klanglichen Resultat.

Der Klang eines Sängers hängt fast vollständig von seiner eigenen Person ab. Man kann zwar gewisse gemeinsame Charakteristika zwischen all solchen Sängern erkennen, die eine Ausbildung hinter sich haben. Dennoch kann man den Klang einer Stimme zweifelsfrei ihrem Träger zuordnen, und zwar meist über dessen gesamte, möglicherweise mehrere Jahrzehnte umfassende Kariere. Eine Waltraud Meier hat vor zwanzig Jahren zwar noch nicht jene Reife und letzte Könnerschaft aufweisen können, die sie heute auszeichnet - dem grundsätzlichen Gehalt des Klanges ihrer Stimme haben die Jahre aber letztlich nichts anhaben oder hinzufügen können.

Einen (großen) Klavierspieler kann man zwar ebenfalls mehr oder weniger leicht zuordnen, wenn man eine Aufnahme hört. Hier geschieht das aber in eher geringerem Maß über den Klang, als vielmehr über die Art und Weise, in der er das musikalische Material gestaltet und strukturiert. Den Klang bringt hingegen sehr weitgehend das Klavier mit. Man kann leicht einen Bösendorfer von einem Steinway unterscheiden, und es ist egal, wer hier die Tasten bedient.

Die Geige steht hier in der Mitte. Ein bestimmter Geiger hat auch einen nur ihm eigenen Klang, wobei er das aber zu einem gewissen Teil auch seinem Instrument zu verdanken hat. Es ist nicht nur der astronomische Preis einer Stradivari oder Amati, der verhindert, daß ein Geiger gelegentlich auch nach einer Alternative sucht und etwas anderes probiert - der Klang seines Instruments verschmilzt im Lauf der Jahre immer mehr mit seiner Persönlichkeit, und eine Trennung wäre ebenso katastrophal wie die Amputation einer Hand.

Zuletzt kommt der Computer, hinter dem derjenige, der ihn bedient, komplett zurücktritt. Alle Entscheidungen, die über den Klang bestimmen, werden vorher getroffen und dem Computer einprogrammiert. Der Sound eines Synthesizers ist in dem Moment schon fest gezurrt, wo alle Regler bedient und die erste Taste gedrückt wird (immerhin kann man mit Spielhilfen - Modulationsrad, Breath-Controll, etc. - noch beim Spiel Einfluß nehmen). Dasselbe gilt, wenn Computeralgorithmen dazu benutzt werden, auf Eingaben in Echtzeit zu reagieren: hier legt man gewissermaßen Schalter um, die prädeterminierte Abläufe abrufen. Noch stärker tritt dies zu Tage, wenn am Sequenzer ein komplettes Stück vorbereitet wird - hier sind definitiv sämtliche Entscheidungen bereits getroffen, bevor der erste Ton erklingt. Man hat es hier nicht nur mit einem Werkzeug zu tun, sondern mit einer Automatisierung - nicht mit einem Hammer, sondern einem von Robotern bedienten Fließband.

  1. [1] Ich hatte mich zum Thema Computer in der Musik aus eher praktischer Perspektive schon ausführlicher geäußert.
  2. [2] Die Geige steht hier stellvertretend für sämtliche Streichinstrumente, wobei sie durch ihre geringe Größe und die Art, wie man sie hält, noch besondere Schwierigkeiten mit sich bringt.