15.3.2009

Improvisation in der Musik

Wenn man heutzutage über improvisierte Musik spricht, meint man fast immer und in allererster Linie die Improvisationen im Jazz. Im klassischen Bereich ist die Fähigkeit zum „Musizieren ohne Noten” mehr oder weniger vollständig verschwunden - aber auch im Pop oder Rock findet man immer seltener z.B. einen Gitarristen, der in einem bestimmten Solo nicht stets dieselben, vorher festgelegten Phrasen spielt, sondern jedesmal etwas Neues aus dem Stegreif erfindet.

Dabei hat die Kunst, spontan Musik erst beim Spielen entstehen zu lassen, eine ehrwürdige Tradition. Ich denke z.B. an die Geschichte der Begegnung von Friedrich dem Großen mit J.S.Bach, als Bach nach einem Thema Friedrichs eine Fuge improvisierte, und erst scheiterte, als ihm eine sechstimmige Polyphonie abverlangt wurde (daraus wurde dann das „Musikalische Opfer”). Ich denke auch an all die Wettkämpfe zwischen Musikern in adligen und bürgerlichen Salons, bei denen es stets auch um die Frage ging, wer am geschicktesten über vorgegebene Themen „phantasieren” kann.

Auch in der Aufführungspraxis des Barock gibt es einen starken improvisatorischen Anteil: das Basso Continuo wurde lediglich als Generalbaß notiert, als Baßstimme also, der lediglich Ziffern beigegeben sind, aus denen sich die Akkorde ergeben - der Cembalo-, Orgel- oder Lautenspieler mußte den Rest spontan selber hinzutun. Diese Praxis ist heute wohl ausgestorben; der Generalbaß wird üblicherweise durch ein vorab ausgeführtes Notat ersetzt. Ähnliches gilt für die Ornamente und Verzierungen, die in der Barockmusik dem Geschmack und dem Können der Musiker überlassen waren und über weite Strecken nicht einmal andeutungsweise notiert waren. Auch hier wird in den modernen Editionen noch jeder Triller vorgeschrieben (auch wenn man in den Fußnoten vermerkt, daß sie im Original fehlen).

In der Rockmusik der späten 60er und 70er Jahre bekam das improvisierte Solo eine gewichtige Rolle, was nicht zuletzt daran lag, daß man Improvisation mit Begriffen wie „Spontanität” und „Freiheit” assoziierte, die bekanntlich in dieser Epoche außerordentlich positiv konnotiert waren. Bei einer Band wie »Grateful Dead« führte das soweit, daß der Anteil der Soli zuweilen derart überwog, daß der Sänger kaum richtig zu tun hatte - wobei der ja nicht nur zu singen hatte, sondern zudem noch Gitarre spielte. Andere Beispiele lassen sich leicht finden.

All diese improvisatorische Praxis ist heutzutage weitgehend ausgestorben - einzig im Jazz spielt sie noch eine Rolle. Viele klassisch ausgebildete Musiker, denen ich begegnet bin, waren in Gesprächen immer wieder fasziniert davon, daß man sich an sein Instrument begeben und einfach drauf los spielen kann, eine Fähigkeit, die sie sich nicht erklären konnten. Dabei ist das Thema nicht ganz so simpel: jeder Musiker improvisiert, und zwar auch dann, wenn er strikt einem Notat folgt. Auch ein Jazzmusiker bewegt sich keineswegs einfach bloß frei und spontan, sondern folgt einem beachtlichen Satz an Regeln und Konventionen.

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