19.2.2009

Netzwerkprodukte (23 / Kopierschutz/1)

(Themenanfang)

Als Steinberg im Sommer 2001 die neuen Büros in Hamburg-Rahlstedt bezog - die zu dem Zeitpunkt noch eine größere Baustelle waren, mit fehlenden Jalousien vor den Fenstern und ungepflasterten Parkplätzen -, hatte jemand die Idee, die Konferenzräume nach jenen Produkten zu benennen, die in der Vergangenheit desaströs geendet hatten, und zwar je nach Größe des Raumes in Relation zum dazugehörigen Desaster. So tagt die Entwicklerabteilung, wenn sie eine Vollversammlungen abhält, im „Masterscore” - das war Anfang der 90er das Notationsprogramm im Portefeuille von Steinberg, geschrieben von einem Programmierer, der nicht vor Ort in Hamburg war, und auch mit externer Hilfe beim Marketing. Das Programm hatte aufgrund seiner Instabilität einen extrem schlechten Ruf, und irgendwann sollten Wolfgang Kundrus, Werner Kracht und ich herausbekommen, wie schlimm es denn nun wirklich steht. Ich erinnere mich noch allzu gut an unseren gemeinsamen Test von „Masterscore” auf meinem Atari: das war wie Schiffe-Versenken, ungefähr bei jedem dritten Klick stürzte der Rechner ab. Es brauchte kaum eine halbe Stunde, um zum Schluß zu kommen, daß da nichts mehr zu retten ist.

Der größte Raum, der auch für die mittlerweile mehr als hundert Mitarbeiter bei einer Betriebsversammlung reicht, trägt den Namen „Topaz”. Die mit dem Projekt dieses Namens verknüpfte Geschichte spielt Mitte der 80er (also noch vor meiner Zeit), und handelt von dem überaus ambitionierten Versuch, den Apple-Rechnern jener Tage das Aufnehmen, Abspielen und Bearbeiten von Audiodateien beizubringen. Das ging damals nur mit höllisch teurer spezialisierter Hardware, und der Anlauf, dies zumindest mit der Benutzeroberfläche eines Macintosh zu verbinden, scheiterte grandios. Nachdem endlos Geld in das Projekt geflossen war, gab es zum Schluß gerade zwei(?) Installationen - und selbst die waren letztlich unbenutzbar. Wenn ich das richtig weiß, ist Steinberg damals knapp an der Insolvenz vorbeigerutscht - mit den Folgen dieses Experiments waren wir jedenfalls noch Jahre später beschäftigt.

Es gab noch mehrere andere kritische Momente in der Firmengeschichte, wovon einige sich der Fehleinschätzungen in der Verkäuflichkeit bestimmter Produkte verdankten. Die zwei oder drei wohl schlimmsten Beinah-Katastrophen entstanden jedoch durch jeweils monatelangen Verzug bei der Fertigstellung einer neuen Cubase-Version. Interessanterweise - und deshalb erzähle ich dies hier - waren hingegen all die Situationen eher unkritisch, in denen unser Kopierschutz geknackt wurde (das zeigt allein die Tatsache, daß kein Meetingraum nach jener Firma benannt ist, die seit jeher unsere Kopierschutz-Dongles konzipiert, Syncrosoft).

Der MI-Markt ist verhältnismäßig klein, und da ist jede Kopie, die illegal genutzt wird, wesentlich schmerzhafter als etwa in einem Massenmarkt, für den Office-Software geschrieben wird. Steinberg hat bereits sehr früh, längst vor den Tagen von Cubase, seine Software mit Hardware-Dongles zu schützen versucht. Dabei hat das eigentlich nur in einer einzigen Periode wirklich funktioniert (zwischen dem initialen Cubase von 1989, bis zum Crack der Version 3.0 für den Atari Mitte der 90er). Sonst standen immer sehr rasch Cracks zur Verfügung, ob für »TwentyFour« Mitte der 80er, oder »Cubase SX« nach 2001. Es war ein ständiges Kräftemessen zwischen den Hackern, die den Wert ihrer Arbeit zu schützen versuchten, und den Crackern, die das allein aus sportlichen Gründen nicht respektieren wollten. Gewonnen haben letztlich immer letztere, und zwar einfach deshalb, weil jedes Stück Software zwangsläufig Fehler (Bugs) hat, und ein einziger Fehler in der Implementierung eines Kopierschutzes diesen kompromittiert.

Trotzdem - und darauf will ich hinaus - hat Steinberg auch in Zeiten, als ein funktionierender Crack vorlag, immer Umsätze gemacht. Unser Marketing ist zwar der Meinung, daß Kopierschutz unabdingbar ist - sonst würde man kaum die Manpower für dessen Entwicklung aufwenden und die teuren Syncrosoft-Lizenzen bezahlen (und würde erst recht nicht Syncrosoft kaufen, wenn sich, wie kürzlich, dazu die Gelegenheit ergibt). Tatsächlich gibt es sogar ein wichtiges Argument, das ich nicht vom Tisch bekomme: je weiter östlich man sich auf der Landkarte bewegt, desto stärkter nimmt die Produktpiraterie zu (nicht nur in Bezug auf Software), und desto unwilliger werden Händler oder Vertriebe, ungeschützte Software in den Bestand zu nehmen: es gibt in Osteuropa oder Fernost niemanden, der sie kauft, will er sich nicht im Kreis von Familie und Bekannten der Lächerlichkeit preisgeben.

[Das wird gerade wieder fürchterlich lang - ich muß mich vertagen.]

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