Cubase 5 - VST-Expression

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Das Problem[1], für das »VST Expression« eine Lösung vorschlägt, existiert eigentlich schon ebenso lange, wie es MIDI gibt: man möchte mit Synthesizern bzw. Samplern die unterschiedlichen Spielweisen realisieren, die bei allen akustischen Instrumenten einen guten Teil zur Vielfalt und Lebendigkeit ihres Klanges beitragen.

Unten findet sich ein Beispiel von einer akustische Gitarre; dabei sind alle roten Symbole Hinweise auf verschiedene Spielweisen. Die Rauten bedeuten »Flagolett«; der aufwärts weisende Strich ist ein »Glissando« der linken Hand; das „H” steht für »Hammer On« (also das Erzeugen des Tons durch Aufschlagen der linken Hand statt Zupfen mit der rechten); das „+” schließlich ist eine gedämpfte »Dead Note«.

VST Expression Noten-Beispiel

Jeder dieser Töne klingt anders, und muß im Sampler mit einem neuen Sound gespielt werden:

Wenn man das mit einem Sampler realisieren wollte, mußte man entweder für jeden Sound eine neue Spur anlegen, und die einzelnen Noten über sie verteilen. In diesem einfachen Fall wären das fünf Spuren, um vier Takte zu realisieren - und in der Realität würden das dann locker viele hundert Tracks, in denen sich zum Schluß kaum jemand zurecht findet.

Eine zweite Möglichkeit wäre die Verwendung von sog. »Multi-Layer-Samples«, bei denen alle unterschiedlichen Spielweisen in einem Sound vereint sind, die man dann durch »Keyswitches« - Noten auf dem Keyboard, die nicht selber klingen, sondern nur zur Soundkontrolle dienen - ansteuern kann. Dadurch aber vermischen sich im Datenstrom die klingenden Noten mit Kontrollinformationen - im Notenbild entsteht heilloses Chaos, und auch in den anderen Editoren ist eine Zuordnung schwer möglich. Hinzu kommt, daß es sehr mühselig ist, für eine einzelne Note einen Keyswitch einzufügen, und gleich darauf einen zweiten, der auf den ursprünglichen Sound zurückschaltet.

VST-Expression versucht dieses Problem zu lösen, indem die »Artikulationen« - jene Symbole, die im Notenbild rot abgedruckt sind - ohne Umwege direkt abgespielt werden. Der MIDI-Player kennt die Symbole und setzt sie quasi selbstständig in jene Kommandos um, die der Sampler benötigt, um die Layer umzuschalten. Mit anderen Worten: das Notenbeispiel wird - ohne weitere Fummelei - so abgespielt, wie es dargestellt ist. Das Aufsplitten in verschiedene Tracks entfällt; Keyswitch-Noten sind nicht nötig; und nach einem Flageolett oder einer gedämpften Note schaltet der Player automatisch zurück.

Dabei ist dieses Feature nicht auf User beschränkt, die Noten lesen können; man kann das auch im Keyeditor bedienen. Das Beispiel oben sieht dann so aus:

VST Expression Key-Editor

Oben sieht man die Noten, im unteren Bereich die Artikulationen. In dem Beispiel gibt es davon sieben, die man durch Klicken mit der Maus bzw. durch das Selektieren eines Events und anschließender Menuauswahl im Note-Info setzen kann. (Die vierte Zeile hat keine Beschreibung - das liegt einfach daran, daß in der speziellen Situation der Platz dafür nicht ausreicht.)

Ich hatte in der Testphase ein Demo (s.u.) gebastelt (das man auch auf der Cubase-5-DVD findet), das sich mit Saxophon, drei Gitarren und einem Baß von dem auf der DVD mitgelieferten „Expression Set” bescheidet (das sind m.E. sehr gute Multi-Layer-Samples, die Yamaha aus den Libraries der aktuellen „Motiv”-Serie „geklaut” hat). Obwohl alles außer Saxophon hart quantisiert ist (und überhaupt nur ein rascher Entwurf ist), „lebt” das Ganze schon gar nicht schlecht. - Ich ertappe mich jedenfalls regelmäßig dabei, daß ich auf diese Sounds bevorzugt zurückgreife - man erreicht mit ihnen sehr rasch eine Art von „Dreidimensionalität”, für die man sonst einiges an Aufwand investieren müßte.

  1. [1] Ich will nicht erklären, wie dieses Feature bedient wird - das tut schließlich schon das Handbuch -, sondern nur einige Hinweise zum Konzept wie Hintergründe der Entstehung geben.

[Wird fortgesetzt]