Wolfgang Amadeus Mozart - Don Giovanni

Rodney Gilfry (Don Giovanni)
Lásló Polgár (Leporello)
Isabel Rey (Donna Anna)
Roberto Saccá (Don Ottavio)
Cecilia Bartoli (Donna Elvira)
Liliana Nikitenau (Zerlina)
Oliver Widmer (Masetto)
Matti Salminen (Commandantore)

Chor und Orchester des Opernhaus Zürich.
Nikolaus Harnoncourt
Inszenierung: Jürgen Flimm
Arthaus (DVD)

Es gibt zwei Werke, die mir beigebracht haben, warum man Mozart im Lauf der letzten Jahrhunderte so bewundert hat: die C-moll Messe K.427 - und Don Giovanni.

Beiden Werken ist gemeinsam, daß Mozart in ihnen aus einem riesigen Repertoire musikalischer Techniken schöpft: Arien zwischen Buffo und Seria, Rezitativo und Accompagnata, Fugiertes mit allen im Barock entwickelten Kunstgriffen und Techniken, Instrumentationskunst, die man verschiedentlich erst bei Mahler vermuten würde (die in der Bühne versteckten Blechbläser in der Friedhofszene) usw. Man erlebt hier keinesfalls ein geniales Kind, das naiv und unverbildet reizende Werke aus dem Ärmel schüttelt, keinen gottgeküßten und halbverrückten "Amadé", als der Mozart z.B. in Milos Formans Film erscheint. Vielmehr tritt uns ein erwachsenes Genie gegenüber, das den Stand des Handwerks reflektiert und verinnerlicht hat. - Es wird hier sehr schwer, Mozarts "Stil" zu bestimmen: er kann alles, und er verwendet es auch. Wenn man jemanden, der diese Werke nicht kennt, nach dem Komponisten fragte, bekäme man sicherlich nicht Mozart als ersten Tip.

Jürgen Flimms Inszenierung ist auf eine wohltuende Weise "konventionell": Ort und Zeit werden nicht verändert, die Kostüme verweisen auf das 18.Jh. Einzig das Bühnenbild abstrahiert, verdoppelt nicht, sondern bietet Möglichkeiten, die Personen im Raum zu ordnen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit der Regie stehen auch eben die Personen: sie sind stets in Bewegung (auch jene, die gerade nicht zu singen haben), die Handlung steht in logischer Beziehung zum Text, das "Timing" stimmt in einem Maße, daß ich das Gefühl hatte, die Darsteller würden improvisieren. Ein Beispiel, das für viele Regieeinfälle stehen soll: nachdem es Don Giovanni gelungen ist, die Hochzeitsgesellschaft zu zerstreuen und endlich allein ist mit Zerlina, gibt es vor dem Rezitativ, in dem er Zerlina zu verführen sucht (und nur durch das Erscheinen Donna Elviras scheitert), einen Moment des Schweigens: das Paar legt gemeinsam ein großes Tischtuch zusammen, sieht sich in die Augen, kommt sich Schritt für Schritt immer näher: in dem Moment, in dem es sich unmittelbar gegenübersteht, setzt die Musik ein, wobei der Zuschauer da schon weiß, daß es um die Frau geschehen ist...

Die Sänger stehen über jedem Zweifel (einzig Roberto Saccás Tenor klingt m.E. etwas überanstrengt) - wobei auch deren schauspielerische Qualitäten überraschend gut sind. Rodney Gilfry - groß, schlank, eine äußerst gutaussehende Mischung aus Mick Jagger und Matt Damon - ist nicht nur physiognomisch eine überaus überzeugendende Verkörperung des besessenden Liebhabers, sondern zudem auch im Close-Up der Kamera in jedem mimischen Detail glaubwürdig. Cecilia Bartoli müßte man eigentlich nicht besonders erwähnen - sie ist berühmt genug - aber ihre Donna Elvira hat mich wirklich vom Stuhl gerissen: allein ihre Rachearie im ersten Akt rechtfertigt den Preis für den Kauf der DVD allemal.