Netzwerkprodukte (13)

Wenn eine Debatte Musik, Texte, oder Software verhandelt, dreht sie sich zunächst einmal um Information. Das ist natürlich nur die übergeordnete, sehr abstrakte Kategorie: Text oder Musik z.B. können zu Kunst werden, Menschen können über Informationen zu Wissen gelangen, und Software kann dazu dienen, Informationen zu bearbeiten, statt unmittelbar von menschlicher Wahrnehmung interpretierbar zu sein. So interessant diese Übergänge auch sind, im Moment schiebe ich sie als unerheblich fürs Thema beseite.

Informationen müssen zusammengetragen und vermittelt werden, von Komponisten und Interpreten, Autoren und Verlegern, Softwareentwicklern und den unterschiedlichen Strukturen, die für die Verbreitung von Software sorgen. Auf der anderen Seite stehen ihre Rezipienten, die Hörer, Leser, und User. Die einen wollen von ihrer Tätigkeit leben können; die anderen wollen die Informationen zu einem möglichst günstigen Preis nutzen. Soweit ist das ein Interessenkonflikt, der immer auftritt, wenn knappe Resourcen über Marktmechanismen verteilt werden sollen. - An dieser Stelle habe ich drei Fragen: (1) Sind diese Resourcen denn wirklich knapp? (2) Sind Informationen - Ideen - tatsächlich vergleichbar mit materiellen Resourcen? (3) Kann jemandem eine Idee gehören, wie etwa ein Stück Land, oder eine industrielle Produktionsanlage?

(1) Es gab schon immer eine kleine Minderheit, die vor Ideen und Kreativität sprudelte, und damit Gesellschaften - ja ganze Epochen - bereicherte, vorantrieb, und prägte. Die Tatsache, daß es sich um eine Minderheit handelt, hat nichts damit zu tun, daß die Ressource knapp wäre. Auf diese Idee kommen vielleicht Verleger und Vertreter der Musikindustrie, schwerlich aber Schriftsteller oder Komponisten [1].

(2) Ideen sind die Grundlage der menschlichen Existenz. Das zeigt sich an der amerikanischen Verfassung oder Napoleons Code Civil ebenso, wie am Bauplan für eine Brücke oder der Navigationssoftware der Mondlandefähre. Sie sind das in weit grundlegendem Maße als materielle Dinge wie Nahrung oder Häuser, weil menschliches Überleben darauf beruht, daß es geplant wird. Die ökologische Nische des Menschen ist sein Vermögen des planerischen Blicks in die Zukunft.

(3) Ideen sind per se gesellschaftliches Eigentum, weil sie nur im gesellschaftlichen Zusammenhang entstehen können [2]. Das gilt aber auch für den (landwirtschaftlichen) Boden, der nur von einer Gemeinschaft bearbeiten werden kann, und - mehr noch - für die Fabrik, deren Aufbau und Produktion sich den zahllosen Händen und Köpfen einer kaum überschaubaren Vielzahl von Arbeitern und Speziallisten verdankt. Insofern würde ich die Frage nach der Legitimität des Besitzes von Ideen bejahen - wenn man mich denn vom Recht auf privaten Besitz von im gesellschaftlichen Zusammenhang geschaffenen Ressourcen überzeugen könnte.

  1. [1] Das klingt wohl doch ein wenig kryptisch...
  2. [2] Das Konzept des "Genies", das aus sich selber heraus nie zuvor Gedachtes erschafft, ist eine Erfindung der Romantik, mit dem eine herausragende Begabung ins Übernatürliche verklärt wird - i.d.R. zum wirtschaftlichen Nutzen des zum Genie verklärten (oder jener, die sein Werk vermarkteten).