27.4.2008

Körperwissen (3)

(Themenanfang)

Ein Experiment: man nehme einen scharf angespitzten Bleistift, und male damit auf einer Raufasertapete. Das fühlt sich komplett anders an, als wenn man auf einem glatten Stück Papier malt: wo, an welcher Stelle, fühlt man diesen Unterschied?

Ein zweites Experiment: man schlage eine Gitarrensaite mit einem Plektrum an. Wo, an welcher Stelle fühlt man den Kontakt mit der Saite?

Nr. 3: man fahre mit dem Motorrad in immer extremerer Schräglage, bis man spürt, daß jede weitere Steigerung dazu führt, daß das Hinterrad wegrutscht - wo vermittelt sich dieses Gefühl?

Die Antworten: man spürt den Kontakt mit dem Untergrund an der Spitze des Bleistifts, am Plektrum, am Hinterrad des Motorrads - und nicht etwa in den Nerven der Hand, oder in denen des Hintern. - Der Gedanke ist gewöhnungsbedürftig, leuchtet aber nach einigem Nachdenken ein.

Ein schlichter Zeigestock beispielsweise steckt in seiner Handhabung bereits voller Wunder. Wenn wir ihn mit geschlossenen Augen auf eine Wand zubewegen und diese dann mit der Spitze des Zeigestocks [...] betasten, dann erleben wir den Widerstand, den sie bietet, nicht in den Fingerspitzen oder in der Hand, sondern vorne an der Spitze des Zeigestocks. Genauer noch: es ist nicht nicht einmal so sehr der Widerstand, den wir erleben, sondern es ist ganz unmittelbar die Wand selber.
- Bernt Spiegel, Die obere Hälfte des Motorrads (Hervorhebungen im Original)



Es geht um den Begriff des Werkzeugs. Ein Werkzeug verlängert die Wahrnehmung des eigenen Körpers und wird zu dessen integrativem Bestandteil.

Ich tippe das Thema hier nur an; m.E. hat die Beobachtung, daß der menschliche Körper um äußere Gegenstände erweiterbar ist, Auswirkungen auf das gesamte Konzept der Dialektik zwischen Mensch und Natur.

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